09/2023

1a Werkstattparadies

Wie zwei Brüder ihren Jugendtraum vom eigenen Betrieb realisieren

Fotos: Familie Koch, H. Malguth

Delkenheim liegt keine 10 km in südöstlicher Richtung vor den Toren Wiesbadens. Hier – innerhalb eines Gewerbegebiets mit zahlreichen Neuansiedlungen größerer Unternehmen – haben sich die Brüder Oliver und Marcus Koch ihren Traum von der Selbstständigkeit verwirklicht. Und nicht nur das: Beide verbinden ihre gemeinsamen Wunschvorstellungen eines optimal funktionierenden Werkstattbetriebs mit ihren Ambitionen, auch gewisse Anteile ihrer Freizeit in diesem Umfeld zu verbringen. So lässt sich das großzügig konzipierte Ambiente am ehesten als »Spielwiese für große Jungs« umschreiben. Mit Hingabe und Gewissenhaftigkeit ausgeführte technische Aufgaben wechseln sich dabei ab mit Hobbyaktivitäten, wie sie sich auf einem zur Verfügung stehenden Areal von fast 4.000 m2 in Einklang bringen lassen.

So wechseln sich beim Interieur dieser ganz besonderen Kfz-Werkstatt hochwertige technische Einbauten mit liebevoll zusammengetragenen Requisiten ab wie beispielsweise einer Original-Zapfsäule aus dem Jahre 1987, einer ausrangierten Parkuhr, die noch mit 50-Pfennig-Stücken gefüttert werden will oder historisch anmutenden Kaugummiautomaten. Auf einer oberhalb der Werkstatthalle befindlichen Empore wartet eine großzügig gestaltete Kinokulisse mit Beamer, Leinwand und eigenem Thekenbereich offenkundig schon darauf, im Freundes- oder Kundenkreis Sportübertragungen oder Filmabende zu präsentieren.

Ihr habt mit eurem Betrieb doch aber sicherlich nicht in dieser Größe angefangen…
Marcus Koch: Nein, die Wiege des Unternehmens steht direkt in Delkenheim, wo unser Opa seinerzeit mit einer kleinen Werkstatt gestartet ist. Später hat unser Vater dann den Betrieb fortgeführt, bis mein Bruder die Geschäfte übernommen hat. Ich selbst war 15 Jahre für den TÜV Rheinland tätig. Vor anderthalb Jahren bin ich hier mit eingestiegen.

Wie unterscheidet sich dein heutiges Tätigkeitsumfeld von dem beim TÜV?
Dort war ich als Ingenieur im Prüfwesen tätig und täglich von Betrieb zu Betrieb unterwegs – oft 12 bis 13 Stunden. Dagegen hat sich meine Arbeitszeit hier zwar nicht geändert, ich empfinde heute jedoch deutlich weniger Stress. Außerdem macht mir das Schrauben wirklich großen Spaß, und ich weiß mehr zu schätzen, wofür ich meine Zeit hier einbringe.

Alles wirklich 1a: Oliver und Marcus Koch.

Und dein Bruder Oliver ist von Beginn an dabei?
Ja, er ist gelernter Kfz-Elektriker, hat nach seiner Ausbildung seinen Meister gemacht und schon mit unserem Vater gemeinsam die Werkstatt geführt – seinerzeit noch an alter Wirkungsstätte mit deutlich bescheideneren Möglichkeiten.

Wenn man sich die Einbauten hier so schaut, wirkt das Ambiente so gar nicht werkstatt-like…
Dieses Betriebsgebäude wurde zuvor von der Firma Gastrolux genutzt. Da war alles vom Feinsten: Marmorfußböden und Deckenvertäfelungen aus Wurzelholz – für heutige Verhältnisse alles unbezahlbar. Unsere Mutter war hier mehr als 30 Jahre beschäftigt, während der letzten 10 Jahre als Geschäftsführerin. Als dieser Standort dann aufgegeben wurde und zum Verkauf stand, haben wir uns das Gelände gesichert, bevor es öffentlich ausgeschrieben war. Dadurch verfügen wir nun im Vergleich zu unserer früheren Werkstatt mit ca. 250/300 m2 aktuell über ca. 1.000 m2 Hallennutzfläche.

Es hätte sich für uns auch nicht gelohnt, den alten Standort noch länger zu betreiben. Mittlerweile wären die dafür notwendigen Investitionen so exhorbitant hoch gewesen, dass wir dem Neustart an dieser Wirkungsstätte klare Priorität eingeräumt haben.
Die einzige Bedingung, die es zu erfüllen galt, lautete seitens unserer Mutter, dass wir ihr hier ein eigenes Büro einrichten mussten, damit sie uns auch weiterhin stundenweise mit administrativen Tätigkeiten unterstützen kann.  

Wart ihr immer schon 1a autoservice?
Wir sind – glaube ich – sogar einer der ersten Betriebe gewesen, die sich dieser Konzeptmarke vor mehr als 20 Jahren angeschlossen haben.

Wo liegen eure fachlichen Schwerpunkte?
Außer Lackierungen und Karosseriearbeiten machen wir eigentlich alles. Dank der viel höher dimensionierten Halle können wir nun auch Kunden mit Sprintern oder Reisemobilen bedienen. Das ging am früheren Standort nicht.

Wie handhabt ihr das mit der Infrastruktur für die E-Mobilität?
Das verfolgen wir aktuell gar nicht. Wir sind von der Technologie und deren Energieeffizienz gar nicht überzeugt. Als ehemaliger TÜV Ingenieur durfte ich auch in dieser Hinsicht schon früh zahlreiche Schulungen besuchen. Da gewinnt man Erkenntnisse, die der E-Mobilität eine sehr zwiespältige Energiebilanz bescheinigen. Im Gegensatz dazu produzieren wir über unsere hauseigene Photovoltaikanlage einen Großteil unseres betrieblich genutzten Stroms selbst. Wir überlegen, ob wir uns noch einen zusätzlichen Pufferspeicher zulegen, um eine weitgehende Autarkie zu erreichen.

Aus deiner ehemaligen Tätigkeit kennst du bestimmt ganz viele Kfz-Werkstätten in dieser Region. Findet da noch immer ein gedanklicher Austausch statt?
Diese Idee habe ich ganz bewusst schon während meiner damaligen Tätigkeit forciert: Wir sind keine Wettbewerber, sondern Kollegen, die sich gegenseitig unterstützen. Was der eine nicht kann, kann der andere übernehmen.

Auch technisch absolut 1a: Marcus und Oliver Koch haben ihren modernen Betrieb hochwertig ausgestattet.

Ideologische Aspekte genießen bei euch offenkundig einen hohen Stellenwert. Darüber hinaus umgebt ihr euch neben aller modernen Technik wohl gern mit nostalgischen, aber komplett funktionstüchtigen Dekoelementen.  
Ja, ich verfüge tatsächlich über einen Account über den ich stets zeitnah informiert werde, wenn wieder jemand einen interessanten Automaten zu verkaufen hat. So bin ich beispielsweise in den Besitz eines alten Zigarettenautomaten gelangt, den wir dann hier komplett sandgestrahlt, restauriert und gestrichen haben. Nun findet das Schätzchen weitere Verwendung als Tresor für kleine alkoholische Getränkefläschchen – ein zusätzlicher Spaßfaktor: Was man zieht, muss man dann trinken.
Ein Riesenspaß, wenn in unserem mit alten Bussitzen ausgestatteten Heimkino demnächst wieder die Bundesligaspiele der Eintracht (Frankfurt) übertragen werden!
Man könnte an dieser Stelle ein eigenes Kapitel aufschlagen, um alle im Werkstatt- und Kundenbereich liebevoll verbauten Stilelemente separat aufzuführen.
Aus Platz- und Zeitgründen beschränken wir uns daher auf zwei weitere Besonderheiten: Zum einen den mit Vereinswappen der Frankfurter Eintracht versehenen Gullideckel, als weiteres symbolträchtiges Untensil dieses wahrlich ungewöhnlichen Betriebes. Zum anderen die im Kundenbereich wirkungsvoll in Szene gesetzten, ebenfalls von Oliver und Marcus Koch selbstgebauten, Plexiglasvitrinen mit einer Vielzahl von Sammlerexponaten.

Abschließend kann man sagen: Zwei jungenhaft gebliebene Architekten mit Sinn für Technik und verspielte Details leben hier ihren Traum.
Wir wünschen euch weiterhin alles Gute, viel Spaß und reichlich Erfolg!

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